Handbuch
Tu Quoque
Einen Angriff durch den Vergleich mit dem Verhalten anderer zurückweisen
Tu Quoque ist eine Strategie, mit der Kritik auf den Gesprächspartner zurückgeworfen wird. In ihrer einfachsten Form ist sie
eine Reaktion auf einen persönlichen Angriff, der ebenso auf den Angreifer angewendet werden kann. Ebenso können aber
unterschiedliche Fehler in Relation zueinander gesetzt (→Hinkender Vergleich) oder
statt einer Person eine Gruppe angesprochen werden, zu der der Gesprächspartner gehört oder die dessen Meinung vertreten
(→Sippenhaft). Auch die Sache oder Ideologie, die diskutiert wird, kann auf
diese Weise verglichen werden. Kernaussage eines Tu-Quoque-Arguments ist, dass eine Eigenenschaft oder ein Argument auf
mehrere Seiten des Konflikts anzuwenden ist und daher nicht als Vor- oder Nachteil nur einer Seite betrachtet werden kann.
Wann wendet man das an?
Besonders hilfreich ist diese Strategie, um →Doppelmoral und Scheinheiligkeit des Gegenübers aufzuzeigen. →Persönliche Angriffe sind dabei dann zulässig, wenn sie empfangene Kritik auf das Gegenüber anwenden. Damit wird von eigenen Schwächen abgelenkt und der Angriff reflektiert. Seltener, aber ebenso leicht kann damit ein vermeintlicher Vorteil einer Sache oder eines Standpunkts entkräftet werden.
Tu Quoque ist nur dann ein logischer Fehler, wenn damit impliziert werden soll, dass das Angegriffene gut oder richtig sein müsse, da es auf den Gesprächspartner oder seinen Standpunkt ja ebenso zutrifft. Wer Standards für andere aufstellt, sollte auch an diesen gemessen werden. Wenn jemand also sein eigenes Argument nicht wichtig genug nimmt, selbst entsprechend zu handeln oder seinen eigenen Standpunkt oder Vorschlag entsprechend zu verbessern, dass er diesem Genüge tut, dann kann er schwerlich erwarten, dass andere dies tun. Tu Quoque macht das sichtbar und gibt den Vorwurf an den Gesprächspartner zurück.
Oftmals werden eigene Verfehlungen oder solche, die man mühsam überwunden hat, besonders hart in anderen verurteilt oder gar zu Unrecht in ihnen vermutet. Je weiter hergeholt ein Vorwurf scheint, desto eher kann davon ausgegangen werden, dass er eine Projektion ist. Werden zum Beispiel vom Gesprächspartner hinter einer Handlung selbstsüchtige Motive vermutet, liegt der Verdacht nahe, dass dieser selbst selbstsüchtig handelt und eigene Interessen auf andere überträgt.
- „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!“
- „Steine sind aber auch auf der Seite der Demonstranten geflogen.“
- „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“
- „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
- „Kehr lieber mal vor deiner eigenen Tür.“
Was tut man dagegen?
Nur weil beide Standpunkte oder ihre Verfechter Fehler haben, sind diese darum nicht hinfällig. Besonders, wenn verschiedene Kritikpunkte oder Vorzüge gegeneinander ausgespielt werden (→Hinkender Vergleich), muss betrachtet werden, ob diese tatsächlich gleichwertig sind oder auf beiden Seiten im gleichen Umfang bestehen. Auch der Standpunkt, in dessen Kontext die zurückgeworfene Aussage steht, ist wichtig: Manche Verfehlung ist nur dadurch eine, dass sie im Widerspruch zur vertretenen Überzeugung steht. Auf diese Weise lässt sich Verhalten, dass man selbst in Ordnung findet, bei anderen, die das Gegenteil predigen, kritisieren, ohne mit zweierlei Maß zu messen, da der Angriff nicht auf das Verhalten, sondern die Inkonsistenz zu vertretenen Ansichten zielt.
Darüber hinaus kann Tu Quoque begegnet werden wie jedem anderen Angriff auch. Ist die Anschuldigung wahr (→Lüge) und relevant? Soll mit ihr von anderen Streitpunkten abgelenkt werden? Findet man gute Gründe für die eigene Verfehlung (→Rechtfertigung)? Lässt sich die Kritik nicht von der Hand weisen, kann eine Entschuldigung oder Verbesserungsvorschlag den Gesprächspartner in Zugzwang bringen, die gleichen Zugeständnisse an dessen eigenen Schwächen zu machen.
- „Ich habe ja auch nie gesagt, dass das etwas Schlechtes wäre. Du hingegen prangerst das regelmäßig an, dann halte dich auch selbst daran.“
- „Ob ich selbst schon mal geklaut habe, ist doch unerheblich, ich habe gar keinen Zugang zu den Vereinsfinanzen - du willst Kassenwart werden, da müssen wir dir vertrauen können.“
- „Das möchte ich dementieren.“
- „Und dafür habe ich mich auch entschuldigt. Nun zurück zu dir ...“