Handbuch


Strohmann

Eine These verzerrt oder falsch darstellen, um dann diese anstelle der ursprünglichen zu widerlegen.


Der Strohmann gehört zu einer der häufigsten Taktiken im politischen Diskurs. Diese Methode wird gern verwendet, um einen Standpunkt lächerlich zu machen (→Spott) und als absurd darzustellen, kann aber auch aus Versehen entstehen, wenn eine Argumentation missverstanden wird. Besonders komplexe Themen laden dazu ein, sie so weit zu verkürzen und zu vereinfachen, dass die Zusammenfassung den Tatsachen nicht ähnlich genug ist, um die Simplifizierung zu rechtfertigen (→Hinkender Vergleich). Häufig wird mit dem Strohmann auf ein Bild eines Standpunktes zurückgegriffen, das deutlich radikaler ist als die vom Gegenüber vertretene Meinung (→Dammbruch, →Sippenhaft) und diesen wie einen Fanatiker aussehen lässt. Ein Strohmann lässt sich sehr viel leichter angreifen als der damit parodierte Standpunkt, da er dem Angreifer die Deutungshoheit (→Deutungshoheit) über den Gesprächsinhalt überlässt.

Da ein Strohmann einen fiktiven Diskussionsgegner darstellt, lassen sich schwache Argumente nicht nur beliebig auswählen (→Selektive Wahrnehmung) sondern auch ausdenken (→Lüge), so dass der Anwender dieser Taktik vollkommene Freiheit über die Repräsentation der vermeintlichen Meinung seines Gegenübers hat (→Brunnen vergiften). Daher ist diese Taktik besonders effektiv, wenn sie nicht in einer Diskussion, sondern einem Monolog, einer Erklärung oder einer Rede angewandt wird (→Suggestion).


Wann wendet man das an?

Macht sich jemand durch bewusst vage gehaltene Aussagen unangreifbar, führt ein Strohmann zur Konkretisierung. Vermutet man, dass hinter der vorgetragenen Meinung noch andere Absichten stecken, lassen sich diese durch ihre Unterstellung ins Gespräch bringen. Auch kann man seinen Gesprächspartner mit einem Strohmann zwingen, sich von weiterführenden Vorhaben zu distanzieren (→Fangfrage). Auch bringt man so Befürchtungen und Vorbehalte zur Sprache, die man gegenüber einer Position hegt (→Angstargument). Hat man den Standpunkt seines Gegenübers nicht vollständig verstanden, kann man auf diese Weise auch klären, worum es diesem eigentlich geht, da sich dieser daraufhin mit möglichen Interpretationen seiner Aussagen auseinandersetzen muss.


  • „In der Bibel wird die Steinigung Ehebrüchiger gefordert! Wie kannst du da Christ sein?“
  • „Ich soll Ordnung in mein Zimmer bringen? Soll ich jetzt jeden Tag die ganze Wohnung putzen? Da komme ich doch nie hinterher!“
  • „Mit dieser Aufklärungssache wollen Homosexuelle und Promiskuitive unsere Kinder zu ihrem Lebensstil erziehen!“
  • „Du bist Tierschützer, ja? Einer dieser Leute, die uns alle zu Zwangsveganern machen und Mückensprays verbieten wollen?“

Was tut man dagegen?

Verteidigt man auf einen Strohmann hin seinen Standpunkt, bestätigt man unfreiwillig die Darstellung seines Gegenübers; erkennt man die Kritik des Gesprächspartners an, kann einem leicht vorgeworfen werden, man hätte seine Meinung geändert (→Falsches Dilemma). An erster Stelle muss daher stehen, die Unzulässigkeit der Gleichsetzung des Strohmanns mit der eigenen Position zu erklären (→Ausrede). Werden Argumente und Vertreter der eigenen Gruppe zitiert, von denen man sich nicht distanzieren möchte, lässt sich das Verhalten des Gegenübers auch spiegeln und ähnliche Fälle aus dessen Interessengemeinschaft vorbringen (→Tu Quoque).


  • „Aber das habe ich doch nie gesagt!“
  • „Was du da zitierst, hat mit dem Feminismus, den ich vertrete, nichts zu tun.“
  • „Nur weil die Türken, die du kennst, so sind, muss ich doch nicht genauso sein. Wir sind doch nicht alle gleich.“
  • „Ja, manche Leute fordern das Verbot von Alkohol – aber es gibt auch Leute, die wollen alle Drogen legalisieren, mit denen werfe ich dich als Liberalen doch auch nicht in einen Topf.“