Handbuch


Fallbeispiel

Statistische Fakten aufgrund von persönlichen Erlebnissen dementieren.


Ein Fallbeispiel zieht eine Schlussfolgerung auf der Grundlage einer einzelnen Person, oder eines einzelnen Ereignisses oder Erlebnisses. Das kann eigenes Erleben sein, aber auch direkt oder über mehrere Grade entfernte Bekannte (→Hörensagen) betreffen. Dabei wird von einem einzelnen Fall auf eine Gesetzmäßigkeit geschlossen (→Verallgemeinerung ). Häufig wird es als Gegenbeispiel ins Feld geführt, um statistischen Zusammenhängen zu widersprechen. Das macht es zu einer beliebten Methode in gesellschaftlichen Fragen, in denen oft große Streuungen auftreten.

Um einen gesetzmäßigen Zusammenhang in Themenbereichen nachzuweisen, in denen sehr viele Einflussgrößen existieren und die daher sehr komplex sind (zum Beispiel Politik, Medizin, Wirtschaft oder Psychologie), sind große, zufällig ausgewählte Stichproben (→Unrepräsentative Stichprobe ) nötig. Ein Fallbeispiel kann daher nur an größeren Datenbeständen gezeigte Sachverhalte illustrieren oder die reine Existenz einer Sache belegen. Als einzelner Beleg für allgemeine Zusammenhänge ist es jedoch nicht ausreichend.


Wann wendet man das an?

Eine Anekdote hat den Charakter einer Erzählung und ist damit sehr anschaulich und ermöglicht es, einen persönlichen Bezug zu einer Sache herzustellen. Zeigt sich der Gesprächspartner skeptisch oder an Daten und Fakten wenig zugänglich oder interessiert (→Ignoranzargument), ist ein Fallbeispiel emotional sehr wirkungsvoll, besonders, wenn es eigenes, nicht fremdes Erleben betrifft. In diesem Fall macht man sich zwar selbst angreifbar (→Herkunftstrugschluss ), kann andererseits aber jede Kritik an der eigenen Interpretation als persönlichen Angriff darstellen (→Ad Hominem ) und einen respektvollen Umgang mit dem Thema einfordern (→Mitleidsargument ). Auch kann direkte oder indirekte persönliche Betroffenheit als Zeichen von Kompetenz interpretiert werden (→(Un)Betroffenheit ). Darüber hinaus kann ein Fallbeispiel als Gegenbeispiel diesen (→Gegenargument ), wenn die Möglichkeit oder die Existenz eines solchen Falls angezweifelt wird.

Auch ein Gedankenexperiment, wenn kein reales Beispiel zur Hand ist, kann einen ähnlichen Effekt haben. Wird über hypothetische Personen geredet statt über gesichtslose Gruppen, verbessert sich die Empathie der Gesprächsteilnehmer. Das ist besonders in ethischen Debatten hilfreich.


  • „Mein Onkel ist seit Jahren arbeitslos und kann sich trotzdem ein Auto leisten. Die Bezüge sind ja wohl mehr als ausreichend.“
  • „Ich fühle mich ja geschmeichelt, wenn mir Bauarbeiter hinterherpfeifen.“
  • „Veganes Essen schmeckt halt einfach nicht - dieser Aufstrich letzte Woche, der war total eklig.“

Was tut man dagegen?

In der Regel lässt sich ein Fallbeispiel als ungenügend aussagekräftig entlarven, indem ein anderes Beispiel, dass sich von ihm unterscheidet, ins Feld geführt wird. Es ist darauf zu achten, dass gezielt ausgesuchte Einzelpersonen wenig repräsentativ für die Gruppe sind, die sie veranschaulichen sollen. Mehrere Anekdoten sind nur dann aussagekräftiger als eine einzelne, wenn die Beispiele zufällig sind (→Zielscheibenfehler ). Wenn identifiziert werden kann, welche anderen Einflüsse auf das Beispiel einwirken, sollten diese benannt und aufgeführt werden (→Insignifikanz, →Ausrede ). Auch kann der Verlust an Sachlichkeit durch das Einbringen einer subjektiven, emotional besetzten Perspektive kritisiert werden.


  • „Nur weil dir das als Kind angeblich nicht geschadet hat, können wir noch lange nicht alle Kinder an Schulen schlagen lassen.“
  • „Deine Oma hat ja auch viel Sport getrieben - vielleicht ist sie ja deshalb so alt geworden.“
  • „Und weil dem Neffen deines Nachbarn das so gegangen ist, betrifft das jetzt alle?“
  • „Die Statistiken zeigen aber, dass das die Ausnahme ist.“